ICH BIN´s --- it´s me
Kirche Reichenhain

04.06.2025 | 19.00 Uhr | Vernissage |
12.06.2025 | 19.00 Uhr | Abendmusik mit dem Reichenhainer Kirchen-Chor |
18.06.2025 | 19.30 Uhr |
Themen-Abend „C the unseen – ein Blick hinter die Mauern“ Begegnung mit der Gefängnisseelsorgerin Anne Straßberger |
Die Ausstellung zeigt erstmalig außerhalb der JVA künstlerische Selbstportraits und in der Haft verfasste und eingesprochene, hörbare Texte von inhaftierten Frauen.
C the unseen – der Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2025 Chemnitz – gab der Christuskirchgemeinde Chemnitz Anlass, sich mehr mit inhaftierten Frauen in der Justizvollzugsanstalt zu beschäftigen.
Die aktuelle Ausstellung ermöglicht einen bewegenden Einblick in die inneren Auseinandersetzungen einiger Frauen, die sich auf diesen Prozess eingelassen haben. In der Kunsttherapie setzten sie sich mit ihrem Selbstbild auseinander. Einige brachten mit Texten ihre Gedanken zum Ausdruck und sprachen sie – unterstützt von einer Sprachdozentin - auf Tonträger. Dass sie damit an die Öffentlichkeit gehen, verlangt unseren Respekt und Wertschätzung. Zugleich gibt es auch Resonanz auf unser Interesse und die Ausstellung bei den beteiligten Frauen hinter den Mauern.
Der Besuch der Ausstellung kann Impulse geben. Wie reagieren wir in unserer Gesellschaft auf Rechtsverletzungen? Wie begegnen wir Menschen, die in Haft gekommen sind? Wovon lassen wir uns berühren?
Text: Annette Meißner
Anreise:
- ÖPNV: Buslinie 53 bis Haltestelle Gewerbepark am Südring, 10 min Fußweg
- PKW: Parkplatz Jägerschlößchenstraße gegenüber Hausnummer 73
- Geokoordinaten: https://maps.app.goo.gl/sxpiSGgszb9uAkma6
Rückblick zur Vernissage ICH BIN´s – it´s me
Verhaftet – verurteilt – und sonst noch? Versuch einer Begegnung: ein multimediales Projekt mit Insassinnen der Justizvollzugsanstalt Chemnitz
Am 04. Juni 2025 fand in der Christuskirche Reichenhain die Vernissage zur multimedialen Ausstellung ICH BIN´s statt. Ziel dieser Veranstaltung war inhaftierten Frauen zu begegnen. Was wissen wir von denen, die hinter den Mauern leben, die wir von der Reichenhainer Kirche aus sehen können - in unmittelbarer Nachbarschaft? Was wissen wir eigentlich voneinander?
Unter anderen Bedingungen hätten wir einige Frauen in unsere Räume eingeladen, hätten vielleicht mit ihnen Kaffee getrunken, miteinander geplauscht, hätten von ihrem Alltag und ihren Sorgen im Knast gehört… Wir hätten von uns erzählt, was uns bewegt, hätten Fragen gestellt, vielleicht auch gemeinsam Ideen entwickelt, wie es weitergehen könnte mit Begegnungen….
Doch diesen Frauen können wir nicht vis-à-vis begegnen. Sie sitzen in Untersuchungshaft, verbüßen eine Ersatz-Freiheitsstrafe bzw. haben eine Freiheitsstrafe bekommen und verbringen nun Lebenszeit in der JVA.
Wir sind uns begegnet – es gab ein Berührt-Werden von innen nach außen. Pfarrer Daniel Förster sprach vom Auftrag der Christen, Menschen in den Gefängnissen zu besuchen, sie nicht aus dem Blick zu lassen, ihnen nahe zu sein, sie in unsre Gebete einzuschließen. Seit Jahren gibt es Kontakte aus der Gemeinde zu inhaftierten Frauen, über kleine Geschenke zu Weihnachten, über ehrenamtliche Besuche, in letzter Zeit auch mit gemeinsamen Baumpflanz-Aktionen, an denen sowohl Häftlinge als auch Mitglieder der Kirchgemeinde und JVA-Mitarbeitende mitwirkten.
Von Susanne Koch, Kunsttherapeutin in der JVA, erfuhren die Besuchenden, wie intensiv die Auseinandersetzung mit dem eigenen ICH für am Projekt beteiligte Frauen war. Wer sind sie geworden, was macht sie aus…? In den Strafvollzug sind sie gekommen, weil sie gescheitert sind, versagt haben, Grenzen verletzt haben. Hier werden sie zu Gestalterinnen, erleben sich mit Gelingendem, werden als Künstlerinnen sichtbar, mit ihren ganz persönlichen Bildern, ihrer Zartheit, ihrer Verletzlichkeit. Sie zeigen sich mit ihren Texten, die wir hören dürfen.
Das berührt. Da gibt es kein Urteilen, kein Bewerten mehr. Da begegnen wir Menschen, die sich mutig zeigen.
Begegnung geschieht auch von außen nach innen – es gibt ein Gästebuch. Hier schreiben Besuchende ihre Eindrücke, Resonanzen, Grüße und Wünsche an die Frauen hinein. Dieses Buch wird nach der Ausstellung in die JVA mitgegeben werden, wo die beteiligten Frauen lesen können, was uns mit ihnen begegnet ist.
Die Gefängnisseelsorgerin, Anne Straßberger, erzählte, dass eine Gefangene, die an der Ausstellung beteiligt ist, emotional nahe dabei war und wissen wollte, wie die Vernissage gewesen ist, wie die Leute reagieren auf ihre Bilder und Texte. Sie wusste, wann wir hier „draußen“ zusammen sein würden. Dass wir uns hier mit ihnen beschäftigen, berührt Frauen in der JVA. Sie werden gesehen, bekommen ein Stück ihrer Würde zurück, in dem wir sie sehen, uns auf sie einlassen, uns interessieren für sie.
Was noch zu erzählen ist: Nach der Vernissage waren viele in Grüppchen, um Stehtische mit einem Glas Wein oder Saft in der Hand, ins Gespräch vertieft. Es war die Gelegenheit, sich zu begegnen: Menschen, die im JVA-Bereich arbeiten, sowohl haupt- als auch ehrenamtlich, und Interessierte aus dem kirchgemeindlichen und regionalen Umfeld. Der ehemaligen Anstaltsleiterin, Eike König-Bender, war die große Freude über dieses Projekt buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Ihrem Engagement ist es auch zu verdanken, dass Kirchgemeinde und JVA enger zusammengerückt sind. Sie bat eindringlich darum, dran zu bleiben, für Begegnungen zu sorgen. Auch der Referatsleiter für Strafvollzug beim Ministerium der Justiz, Jörn Goeckenjan, zeigte sich beeindruckt vom Interesse und der Resonanz in der Begegnung. Für den neuen Anstaltsleiter der JVA Chemnitz, Jürgen Frank, war dies eine inspirierende Veranstaltung, die auf weiterführendes Engagement hoffen lassen kann.
Zwei Veranstaltungen in der Zeit der Ausstellung werden auch wieder Menschen in Kontakt bringen und die Möglichkeit zum Austausch geben. Ein Konzert des Kirchenchores und der Themen-Abend mit der Gefängnisseelsorgerin führen die Begegnungen fort.
Lassen wir uns inspirieren von einem Lied von Helge Burggrabe: „Schaue hindurch, was immer du siehst, Schaue hindurch mit deines Herzens Auge.“ https://www.youtube.com/watch?v=PkaTDOwcHBQ
Diese Ausstellung ermöglicht nicht nur eine Begegnung mit inhaftierten Frauen in Chemnitz – sie berührt auch uns selbst, unsere Vorstellungen, Bilder, unsere Werte und unsere Würde.
Annette Meißner