„Ein feste Burg ist unser Gott“

Wer kennt nicht Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“? Hymne der Protestanten wird es genannt. Friedrich Engels sprach von der "Marseillaise des 16. Jahrhunderts". In der Zeit des Pietismus wurde es als „Erbauungslied“ gesungen, im 19. und frühen 20. Jahrhundert als „Wehr- und Schlachtgesang der Deutschen". Lang ist die Geschichte der Deutungen und Missverständnisse um dieses Lied.
Und Martin Luther? Er soll sein Lied um das Jahr 1527 verfasst haben. Sein Lieblingspsalm, der Psalm 46 soll ihn dazu inspiriert haben. Dieser beginnt mit den Worten: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den Nöten, die uns getroffen haben.“ (Psalm 46,2; Monatsspruch für September) Für Luther ist dieser Psalm ein Ausdruck großen Gottvertrauens. Statt Zuversicht steht eigentlich das Wort Zuflucht im hebräischen Original. Gott ist unsere Zuflucht, ein Ort, wohin ich fliehen kann, wenn ich mich bedroht fühle. Dem Verständnis des Spätmittelalters folgend gibt Luther in seinem Lied die Vorstellung von Zuflucht mit dem Wort Burg wieder. Auch die anderen militärischen Formulierungen wollen metaphorisch verstanden sein und sind Bilder für den bergenden, schützenden Gott. Zu ihm flüchtet der Glaubende, wenn ihn das Leben das Fürchten lehrt.
Zu fürchten gab und gibt es viel – in unseren Tagen wie damals zu Zeiten Luthers. Im Juli 1527 streckt ihn eine unerklärliche Krankheit nieder. Luther lässt den Arzt rufen, von Frau und Kind nimmt er Abschied und meint, an der Pforte des Todes zu stehen. Wenig später bricht in Wittenberg die Pest aus. Viele verlassen die Stadt, in Luthers Umfeld erkranken die Menschen, manche sterben sogar. Sein Sohn Hans, noch keine zwei Jahre alt, wird von der Seuche befallen, kann aber wieder genesen. Seine Frau Katharina erwartet ihr zweites Kind. Die Schwangerschaft ist schwierig, Luther bangt in großen Ängsten um sie. Dazu plagen ihn Sorgen um die reformatorische Bewegung. Der Bauernkrieg hat Verunsicherung und Irritationen hinterlassen. Innerhalb des evangelischen Lagers brechen Konflikte aus, am Abendmahlsverständnis droht die Sache der Reformation zu zerfallen. All diese existentiellen Erschütterungen haben Luther stark bewegt.
Dagegen singt er an mit seinem Vertrauenslied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Luther flüchtet sich in seiner Not zu Gott. Dabei erweitert er die Vorstellung aus Psalm 46 „Der Herr Zebaoth ist mit uns, der Gott Jacobs ist unser Schutz“ hin zum christlichen Gottesbild. Der „rechte Mann, den Gott selbst erkoren, ... heißt Jesu Christ, der Herr Zebaoth, und ist kein anderer Gott.“ Bei Jesus empfindet sich Luther gut aufgehoben und beschützt, weil er in Christus sieht, dass Gott das Leid zu seiner Sache erklärt, er im Leiden bei den Menschen aushält und es letztlich überwindet. So ist sein Lied von Bildern des Krieges und von Siegesgewissheit erfüllt, aber es ist ein geliehener Sieg, den Luther besingt. Nicht wir sind die Starken, die mit ihrer Stärke protzen, sondern die Schwachen verlassen sich auf Jesu Stärke und finden Zuflucht an seinem Kreuz.
Im Namen des Kirchenvorstandes und aller Mitarbeiter grüßt Sie herzlich
Ihr Pfarrer Daniel Förster