Liebt eure Feinde!

Von Jesus kennen wir viele provozierende Aussagen und steile Forderungen. Der Auftrag, die Feinde zu lieben, gehört unbestritten dazu. Der Satz löst Protest aus, lässt mich am Realitätssinn Jesu zweifeln. Es sind solche Sätze gewesen, die Friedrich Nietzsche veranlasst haben, vom Christentum als der Religion der Schwächlinge zu reden; Christen, die sich in ihrer Opferrolle gefallen und die Niederlage zum Ideal erklären.

Allerdings klingt der Satz bei Jesus gar nicht nach Schwäche, eher nach Größe. „Ihr habt gehört, dass gesagt ist“, stellt Jesus fest. Gesagt ist, dass man den Nächsten lieben und den Feind hassen soll. Diese Ansicht ist das gängige Muster, nach diesem Prinzip gehen wir bis heute miteinander um. Ein ähnliches Prinzip ist das der ausgleichenden Gerechtigkeit, wo es heißt: Auge um Auge, Zahn um Zahn. So steht es im Alten Testament. Dieses Prinzip folgt schon einem ethischen Anspruch. Ziel ist es, einen Ausgleich zu schaffen, nicht Vergeltung zu üben. Die Spirale der Gewalt wird begrenzt, damit die Gewalt nicht endlos weitergeht.  

Jesus aber genügt dieser Anspruch nicht. Er geht noch weiter, wenn er sagt: „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.“ (Matthäus 5,4; Monatsspruch für Juli) Mit Lieben meint Jesus hier weniger ein Gefühl und auch keine freundschaftliche Verbundenheit. Die Art Liebe, von der er spricht, will den anderen verstehen und gönnt ihm das Gute. Agape heißt diese Art der Liebe im Griechischen und Agape ist zuerst eine Haltung, die sich weniger in Emotionen als vielmehr in Taten zeigt. Diese Agape–Liebe macht das Wesen Gottes aus. Sie wird sichtbar in dem, was Jesus für uns getan hat. Gott möchte, dass sich unser Leben erfüllt und an Tiefe gewinnt. Deshalb lädt Jesus uns ein, seinem Prinzip zu folgen. Hass dagegen ist schädlich, auch für den, von dem der Hass  ausgeht, und noch mehr für den, auf den er abzielt. Wenn es gelänge, darauf mit Liebe zu antworten, wäre dem Leben mehr gedient.

Schwächlich ist solch eine Haltung in keiner Weise, sie erfordert eine innere Stärke, ein Wissen um das, was mich ausmacht. Jesus hatte diese innere Stärke. Sie ermöglicht es ihm, seinen Weg zu gehen - konsequent der Liebe verpflichtet. Diese Haltung führt ihn bis ans Kreuz. Er stirbt, nicht weil er dem Bösen nachgegeben hat, sondern weil er es überwinden will; nicht, um den Hass der Feinde zu befriedigen, sondern um sie mit seiner Liebe zu verwandeln. Seine innere Stärke erwächst aus dem Wissen, mit Gott, dem Vater, auf das Engste verbunden zu sein. Das spricht er auch uns zu. Indem wir der Liebe verpflichtet leben, erweisen wir uns als Kinder des himmlischen Vaters. Dieses Selbstverständnis nimmt uns alle Angst um unser Ansehen. Es versetzt uns in die Lage, uns anders verhalten zu können als dem üblichen Schema zu folgen. Herausfordernd ist die Lebensweise Jesu allemal und sie ist - gegen Friedrich Nietzsche - nichts für Schwächlinge.

Eine gesegnete Sommer- und Ferienzeit wünscht Ihnen im Namen der Mitarbeiter und Kirchvorsteher

Ihr Pfarrer Daniel Förster